Eine Woche Kanada

#28 Eine Woche Vancouver

Juli und Sasy Westwood Lake

Die Sonne geht rot am Horizont auf und taucht die Häuser, Brücken und Inseln, die an uns vorbeiziehen in ein wunderschönes Licht. Wir sitzen im Zug von Seattle nach Vancouver und können die Augen nicht von dieser unbeschreiblichen Landschaft, die an unseren Fenstern vorbeizieht, wenden. Wir lehnen uns tiefer in den Sitz, denn eine Fahrt von vier Stunden liegt vor uns. Eine Fahrt direkt am Meer entlang – im Auto würde man das alles gar nicht sehen. Eine Zugfahrt von Seattle nach Vancouver lohnt sich wirklich. Ja ok, wir hatten ja keine andere Wahl, denn zu Fuß ist diese Strecke eben nicht ganz so gut zu bewältigen, aber die Fahrt war echt schön.

Dürfen wir vorstellen: Unser Loft

Ja, ihr habt ganz richtig gehört, in Vancouver haben wir unser ganz eigenes, gemütliches Loft! Man gönnt sich ja sonst nichts. Bevor wir unser neues Zuhause jedoch in Augenschein nehmen dürfen, müssen wir mal wieder einem netten Herrn am Einreiseschalter ein paar Fragen beantworten. Wenn man über den Landweg von den USA nach Kanada einreisen möchte, braucht man kein Visum und auch keine andere Einreisegenehmigung auszufüllen. Den Fragen muss man sich jedoch trotzdem stellen. Die sind eigentlich ganz einfach, zum Beispiel möchte man von uns wissen, was wir hier in Vancouver denn so alles geplant haben. Tja, das wissen wir jetzt auch noch nicht so genau, das entscheiden wir spontan, sagen wir dem Einreisebeamten. Der gute Mann schaut uns nur an und wir meinen nur, wir sind seit drei Monaten unterwegs, wir haben jetzt nicht jeden Tag durchgeplant, Vancouver soll halt schön sein. Wie wir da so mit unseren riesigen Reisetaschen und einer Tasche voller Resteessen, Duschgel, Lichterketten und einem Reeses – Adventskalender – wir haben dem Beamten den gesamten Tascheninhalt stolz aufgezählt – stehen, taten wir dem Beamten bestimmt leid und so gewährt er uns Asyl, auch wenn wir ihm noch nicht sagen können, was wir in seinem Land alles vorhaben.

Ein Loft befindet sich ja bekanntlich nicht im Kellergeschoss und so schleppen wir also nach vier Stunden Zugfahrt und einem Marsch von rund 20 Minuten unseren gesamten Hausrat zwei Stockwerke nach oben. Ok, zugegeben hat Juli das meiste geschleppt während ich dem Klo einen Besuch abgestattet habe. Das habe ich gut gemacht. Wir können noch gar nicht richtig fassen, dass wir nun wirklich in diesem Loft in Vancouver angekommen sind. Ein Raum mit gemütlichen Holzbalken, einer Küchenzeile, in der wir irgendwann auch endlich den elektrischen Herd finden, einem Bett, einer kleinen Sitzecke an niedrigen Fenstern und da steht sogar ein kleiner Weihnachtsbaum unter dem nun unser Reeses – Adventskalender liegt. Wir dekorieren den Raum mit den Lichterketten aus unserem Van und sind „Zuhause“ angekommen.

Wenn man so ein gemütliches Zimmer unter dem Dach hat, muss man eindeutig viel Zeit darin verbringen! Draußen ist es dunkel und kalt und drinnen kochen wir ein gutes Abendessen, kuscheln uns in diesen total flauschigen Bademantel, ein Wein in der Hand, überbackene Süßkartoffeln mit Marshmallows oder auch mal Kürbis – Spaghetti und der Mädelsabend kann losgehen! Weil uns diese ganze Natur und Landschaft hier so sehr an den Film „Twilight“ erinnert, beschließen wir, uns alle Teile nochmal anzusehen und können nicht glauben, wie verdammt schnulzig diese Filme doch sind. Waren wir echt mal so jung, um das total gut zu finden? Eh, ja. Während wir einen gemütlichen Abend verbringen, wird unsere Wäsche von dieser etwas sehr lebendigen Frau, die das Loft vermietet und unten wohnt, gewaschen. Gar nicht so schlecht, so ein Wäscheservice. Die gute Hausmama kann nicht fassen wie viel Wäsche wir haben. Ja, sammelt sich halt an, gell.

Wir verbringen sogar fast einen ganzen Tag in unserem Loft mit einer Zimmertemperatur von bestimmt so 28 Grad. Zu unserer Rechtfertigung: An diesem Tag regnet es echt viel, wir müssen noch einen Teil von „Twilight“ fertig schauen und vielleicht haben wir noch die Idee ein bisschen Farbe in unsere Haare zu bringen. Am Ende des Tages hat Juli pinke Haare und ich blaue Akzente – ja, das geht beim Waschen in ein paar Tagen wieder raus. Aus dem Waschbecken geht diese blaue Verfärbung leider nicht mehr raus. Das ist jetzt aber blöd! Wir müssen Beweise vernichten und entsorgen unseren Müll draußen und hoffen, dass das Waschbecken bald wieder weiß ist. Bis dahin ist das jetzt halt so.

Auf Entdeckungstour durch Vancity

Nein, wir haben nicht eine Woche lang in einem einzigen Raum verbracht, wir haben die kanadische Stadt Vancouver auch wirklich gesehen. Vancouver ist eine wirklich schöne Stadt. Von der Skyline mit den Hochhäusern bis zu der Natur, die diesen Ort umgibt. Uns zieht es zuerst in den historischen Stadtteil Gastown. Hier steht die bekannte Steam Clock, eine öffentliche Uhr, die mit Dampf betrieben wird. Sieht wirklich ulkig aus diese Uhr mitten auf dem gepflasterten Platz. Dieser historische Teil von Vancouver hat einen ganz besonders tollen Charme und gefällt uns auf Anhieb. Die älteren Gebäude und das rote Kopfsteinpflaster sind schon beeindruckend und außerdem gibt es hier ein Spaghetti-Haus. Da sind wir natürlich gleich angetan. Ein tolles Ambiente – da steht doch echt eine Dampflok in der Mitte des Raumes – und ein drei Gänge Menü für ca. 18 kanadische Dollar. Wer noch mehr kulinarische Highlights erleben möchte, sollte diese Tourishops besuchen, die die Straße hier säumen. Dort gibt es Tupper voller Maple Cookies, die man probieren kann. Wir dachten, hier in Kanada sind wir diesem Schokoüberfluss entflohen, aber diese Kekse sind verdammt gut. Mit einem Bauch voller Kekse und einem Geldbeutel, der leider nicht mehr so „voll“ ist, verlassen wir dieses Viertel. Ja, wir kaufen auch schon fleißig für Weihnachten ein, nicht alles ist für uns allein.

Wo wir schon bei den kulinarischen Highlights sind, wenn man die wohl größte Auswahl an guten Essensangeboten sucht, sollte man unbedingt nach Granville Island gehen. Man tuckert mit einer schnuckeligen Fähre an diese Halbinsel und kommt an einem riesigen Marktplatz an. Hier gibt es ein riesiges Gebäude voller Essen. Wohin man auch blickt, findet man die leckersten Dinge, da kann man sich kaum entscheiden. Wir essen schließlich einen Falafel-Wrap zum Mittag und schlendern dann weiter. Wir sitzen in diesem Sessel, der von einem Instrument umgeben wird und man fühlt sich, als wäre man in diesem Instrument, wenn außen jemand die Saiten zupft. Wir nehmen die Fähre zurück und als schon die Nachmittagssonne scheint, schlendern wir diese Strände entlang. Strände mit Tau, mit Holzhaufen und Farnen im Winter in Vancouver. Das Meerwasser des Pazifiks schlägt gegen die Mauer. Juli und ich spazieren durch den großen Stadtpark „Stanley Park“, sehen Otter, die man hier anscheinend total selten sieht und sehen uns die bunten Totempfähle an. Dann laufen wir dem Abend entgegen, durch ein Waldstück. Tau liegt auf den Bäumen, es wird kalt, aber es ist einfach verdammt schön hier.  

Skyline Vancouver

In Vancouver gibt es diesen deutsch – amerikanischen Weihnachtsmarkt. In der Weihnachtszeit sollte man auf jeden Fall einmal auf einen Weihnachtsmarkt, beschließen wir und da an diesem Tag auch noch eine Sängerin auftritt, die Juli sehen will, machen wir uns auf den Weg. Natürlich mit dem Bus, den wir hier schon fast eine Woche umsonst fahren, weil wir ganz lieb sagen, dass wir keine kanadischen Dollar haben – das stimmt – und mit der Kreditkarte kann man nicht bargeldlos bezahlen – das stimmt nur halb, ja ok – also die netten Busfahrer jedenfalls nehmen uns mit. Als wir auf dem Weihnachtsmarkt ankommen, verlangen die da doch echt 12 Dollar Eintritt! Wir müssen dann doch unsere ersten kanadischen Dollar abheben, weil man nur bar zahlen kann. Dieser Abend kostet uns insgesamt verdammte 60 Dollar! Für ein alkoholfreies Cider und einen kleinen Leberkäswecken, der kein Wecken ist. Das nennt man dann wohl Karma. Nun gut, immerhin waren wir auf einem Weihnachtsmarkt und der Abend war irgendwie verdammt schön.

Ein Meer aus Lichtern: Capilano Suspension Bridge Park

Es ist ja so, dass wir eines Morgens noch mitten in der Nacht aus den Federn schlüpfen, um eine Fähre nach Vancouver Island zu nehmen. Dann stehen wir auf dieser Straße, irgendwo in Vancouver. Es ist kalt und regnet und es ist echt noch fast dunkel. Wir Helden haben unseren ersten Bus zur Fähre verpasst, weil wir getrödelt haben, und nun? Ich brauche einen Kaffee als ich erkenne, dass wir echt umsonst aufgestanden sind. Wohin wir gehen? Klar zum Starbucks. Hier hat Juli mit ihrem Google – Talent schon den nächsten Plan für den Tag bereit: Der Capilano Suspension Bridge Park soll einen Besuch wert sein. Der Bus fährt aber erst um die Mittagszeit und so verbringen wir den restlichen Morgen im Starbucks – endlich wieder!

Auch wenn dieser Tag voller Regenwolken hängt, dank Julis Idee in diesen Park zu gehen, haben wir einen wundervollen Mittag. Wir gehen über die Capilano Suspension Bridge, eine Hängebrücke, die über den Fluss führt. Eine Hängebrücke, die durch die Lichterkette leuchtet. Glitzert. Wie Diamanten. Ein echt cooles Gefühl. Wir laufen den Cliffwalk entlang, unter den Füßen nur ein schmales Gitter und Geländer um einen. Wir sehen ein Meer voller Lichter. Der ganze Park ist über und über mit Lichterketten geschmückt. Alles blinkt, alles ist in den hellsten Farben erleuchtet. Irgendwie sieht alles durch den Regen viel wilder und geheimnisvoller aus. Wasserfälle sind beleuchtet und man kann Klatschen, um den Lichtern den Takt vorzugeben. Außerdem gibt es einen Pfad, der durch die Baumwipfel führt.

Bei Nacht sind all diese Lichter dann noch viel eindrucksvoller. Zwischen roten, blauen und lila Lichtern trinken wir unsere heiße Schokolade, die wir uns von einem Gutschein des Personals geholt haben. Weil wir auf einen Kabelbrand im Park hingewiesen haben und diesen wundervollen Ort vor dem Untergang bewahrt haben, wollten sie sich erkenntlich zeigen. Man muss uns ansehen, dass wir Schoki lieben! An diesem kalten Dezemberabend zwischen einem Meer aus Licht kommt Weihnachtsstimmung auf.

Hängebrücke Capilano

Ein Tagesausflug nach Vancouver Island

Der zweite Versuch klappt: Am nächsten Tag kommen wir rechtzeitig an der Fähre, die uns noch in der Dunkelheit auf Vancouver Island bringen soll, an. Wir sind aber auch wirklich früh aufgestanden und haben einen wirklich frühen Bus genommen! Wir sitzen ganz vorne in der Fähre, vor einem riesigen Fenster mit Aussicht auf ein weites Meer. Naja ok, bis zu der Nebelmauer, die uns umgibt. Der Regen will nicht aufhören gegen die Scheiben zu schlagen!

Auch als wir in Nanaimo, der zweitgrößten Stadt auf der kanadischen Pazifikinsel Vancouver Island, ankommen, regnet es. Karma! Sagen wir ja. Von der Anlegestelle bis zum Zentrum der Stadt sind es drei Kilometer. Das laufen wir locker! Nach einer halben Stunde sind wir pitschnass, die Jeans ist durchweicht, der Regenschutz des Rucksacks trieft und es ist wirklich kalt! Der Regen peitscht, aber wir laufen diesen Hafen entlang, mit Blick auf das wilde Meer und Vorfreude auf ein Mittagessen im Warmen.  

Nachmittags fahren wir zum Westwood Lake. Ein wunderschöner See in der Nähe der Stadt. Ein Mittag, der irgendwie verwunschen ist. Dieser sechs Kilometer lange Spaziergang wäre nicht derselbe, wenn der Himmel nicht voller Wolken wäre und kleine Tropfen auf unser Gesicht fallen würden. Wir stehen auf diesem Aussichtspunkt. Wie der Nebel über dem Wasser schwebt, wie nur der Regen tropft, wie friedlich und verborgen alles scheint. Hier muss man kurz bleiben. Es ist eine wunderschöne Wanderung. Die Baumstämme ragen aus dem Wasser, der Nebel hängt und Juli und ich laufen und reden. Eigentlich wollten wir zum Abschluss einen Kaffee an einem gemütlichen Plätzchen trinken, aber in diesem „Old Center“, das echt nicht so legendär ist, hat schon alles zu. An einem Sonntag! Um 16 Uhr! Dann wandern wir eben gleich zurück zur Fähre und essen dort dieses Nanaimo Bar, ein kanadisches Dessert, das nach dieser Stadt benannt ist. Immerhin können wir unser Transportmittel zurück auf das Festland so nicht verpassen. Könnte uns ja schon passieren!

Aussicht Westwood Lake

Dem Schnee hinterher – Whistler Village

Damals als wir in unserer Vorstellung unsere Reise nach Vancouver geplant hatten, dachten wir an eine Stadt, die über und über voller Schnee ist. Ist ja schließlich Winter und wir sind in Kanada. Wir hatten alles: Sonne, Regen und Nebel – nur Schnee, der fehlt. Auf einem Berg muss es doch aber Schnee haben, denken wir zwei schlauen Menschen und buchen zum Abschluss kurzerhand noch eine Busfahrt nach Whistler, einer Stadt mit großem Skigebiet gut zwei Stunden entfernt von Vancouver und ein wenig im Landesinneren von Kanada. Für eine zweistündige Fahrt könnte man jetzt ja eigentlich einen Reisebus erwarten. Dieser Bus hat weniger Komfort zu bieten – der ist eindeutig ziemlich klapperig, laut und durch die Fensterscheibe kommt kalte Luft. Kein Wunder, dass der so wenig gekostet hat!

„Sasy, es schneit!“, höre ich irgendwann eine bekannte Stimme, die mich aus dem Schlaf holt. Tatsächlich, dicke Schneeflocken fallen gegen die Scheibe des Busses und Juli und ich freuen uns unglaublich. Es hat Schnee! Endlich! Die dicken Schneeflocken fliegen in unser Gesicht als wir aus dem Bus steigen. Wie verbringen wir jetzt diesen Tag im Schnee. Der Tube Park, in dem man Reifen rutschen kann, macht doch echt erst morgen auf und Schneewanderschuhe kann man nicht ausleihen, weil es erst heute angefangen hat richtig zu schneien.

Mhhh dieses Schneemobil fahren, klingt auch cool. Wir bekommen kurzfristig einen Platz für eine Fahrt am gleiche Nachmittag! Echt jetzt! Wir fahren Schneemobil. Die Idee davor noch wandern zu gehen, war nicht ganz so grandios. Die Village von Whistler ist echt schön, aber wir sind nach diesem Spaziergang klatschnass und wärmen uns erst einmal im Irish Pub mit einer heißen Schoki auf. Dann geht es los ins Abenteuer. Mit einem kleinen Bus zu einem Häuschen mitten im Wald, wo wir Schneekleidung bekommen und wo die Schneemobile bereit stehen. Wir sind voll aufgeregt! Wir dürfen die Maschinen starten. Erst fühlt es sich an, als ob dieses Mobil umfallen könnte, aber wenn man es einmal raushat, macht es verdammt Spaß. Wir machen Bremsübungen, Lenkübungen – lenken ist gar nicht so leicht – und fahren durch eine verschneite Landschaft. Es macht unglaublichen Spaß über die Hügel zu heizen, es fühlt sich so verdammt schnell an. An einem See machen wir halt. Liegen in meterhohem Schnee und haben den Spaß unseres Lebens. Wir sind voll glücklich. Zurück an diesem Holzhaus mitten im Nirgendwo in Kanada wärmen wir uns an diesem Holzofen auf und sind immer noch ein bisschen voller Adrenalin.

Wir müssen mit nassen Hosen und Socken in einem Billigbus wieder zurück fahren, unser Gepäck abholen und noch an diesem Abend zum Flughafen. Das ist jetzt nicht so nice, würden wir sagen. Aber der Tag war cool und wer sparen will, muss halt leiden.

Eure Mädels, die aufgrund weiterer Sparmaßnahmen, diese Nacht am Flughafen verbringen. Wir haben Euch lieb.